Am 25.11.2020 trafen sich das Kompetenznetzwerk für Oberflächentechnik e.V. und das automotiveland.nrw e.V. mit Ihren Mitgliedern, weiteren Vertretern aus der Industrie, sowie Wissenschaftler*innern für die erste digitale Praxiszeit Oberflächen- & Galvanotechnik 2035.
Achim Gilfert, Geschäftsführer des Kompetenznetzwerkes, begrüßte die Teilnehmer und stellte zu Beginn der Veranstaltung den Verein mit einem Rückblick auf die Arbeit des Vereins im Jahr 2020 vor. „Die Umstellung auf digitale Formate ist für fast alle eine große Herausforderung, die auch in den nächsten Monaten weiterhin Einschränkungen für alle bedeute“, so Gilfert mit Blick auf die erste digitale Praxiszeit.
Ohne große Umschweife begann dann die Veranstaltung mit dem ersten Impuls von Kathrin Peters, Leiterin des Kompetenzzentrum für Energie-, Effizienz- und Ressourcen-Optimierung (zeero). Unter dem Banner „Unsere Zukunft: Warum sind Veränderungen nötig?“ präsentierte Frau Peters, welche ökologischen Herausforderungen auf die gesamte Industrie zukommen und wie Unternehmen adäquat darauf reagieren können. Um der gesellschaftlichen Verantwortung nachzukommen, sei die Umstellung auf klimaneutrale Produktionsverfahren nötig, wo immer dies möglich sei.
Im Nachgang zu dem Vortrag merkte Herr Dr. Irle, Vorstandsmitglied des Kompetenznetzwerks, an, dass eine derartige Umstellung der Produktionsverfahren oftmals kaum zu bewerkstelligen sei. Man müsse das Thema realistisch und problemorientiert in den Fokus rücken, ohne den Blick für harte Fakten zu verlieren. Eine Verlagerung energie- und ressourcenintensiver Produktionsprozesse ins Ausland, nach dem Motto „aus den Augen aus dem Sinn“, sei nicht vernünftig. Und auch durch die oftmals aufkommende Euphorie bei „Zukunftstechnologien“ wie z.B. Elektromobilität, vergesse man oft diese globale Perspektive der ressourcenintensiven Produktion.
Mit dem Vortrag „Automobilität 2035: Wie wir in 15 Jahren von A nach B kommen“ zeichneten Dr. Michael Krause und David Bickenbach vom Centrum für automatisierte Mobilität (camo.nrw) im Anschluss ein konkretes Bild des Automobilsektors der Zukunft. Setze sich die Elektromobilität wie prognostiziert bis 2025 durch, so werden sich viele Automobilzulieferer einer stark sinkenden Nachfrage nach Komponenten für Verbrennungsmotoren gegenübersehen. Anhand von Trendanalysen zeigte Dr. Krause auf, wann welche Automobilzulieferer vom Megatrend der Elektromobilität betroffen sein werden. Auch verändertes Konsumverhalten im Automobilsektor, wie z.B. Car-Sharing Konzepte hätten einen großen Einfluss auf die Anforderungen von Zukunftsautomobilen. Anpassungsfähigkeit und Funktionalisierung von Bauteilen sei so ein wichtiger Bestandteil des zukünftigen Designprozesses.
Als nächster Redner folgte nach einer kurzen Pause Herr Dr. Hans Peter Schlegelmilch von der Brain of Materials AG der imat uve GmbH mit seinem Vortrag „Wie Materialien die Zukunft beeinflussen“. Die Brain of Materials AG katalogisiert sämtliche neuen Materialien in einer Datenbank und hilft so Ihren Kunden, das passende Material für Ihre Produkte zu finden. Der Megatrend der nachhaltigen Produktion veranlasst die Brain of Materials AG dazu, Materialien auch nach ihrer Umweltfreundlichkeit zu bewerten.
Die Nutzbarmachung von Materialien, welche heutzutage noch als Abfall behandelt werden, ist entscheidend, um zu einer nachhaltigen Zukunft zu gelangen. Während die Verwendung von Plastikmüll aus den Meeren von größeren Unternehmen wie Adidas fast schon alltäglich erscheint, sind neuere Designmaterialien, wie z.B. die Nutzung von Fleischabfällen für Blutleder o.Ä. noch ziemlich kontrovers. Aber nur wenn wir den bereits in die Natur eingetragenen Müll ökonomisch verwertbar machen, können wir dem Klimawandel effektiv entgegentreten.
Dazu, so Herr Schlegelmilch werden wir von hierarchischen Lieferketten zu „Liefernetzwerken“ übergehen müssen, in denen Unternehmen auf allen Ebenen versuchen nachhaltigerer Lösungen für den gesamten Produktlebenszyklus von der Ressourcengewinnung bis zur Wiederverwertung zu finden. Herr Schlegelmilch lobte in diesem Zusammenhang zudem Frau Peters für ihre konstruktive und sinnvolle „Provokation“. Sie rücke das Thema in den Vordergrund und zeige oftmals die erschreckende Kluft, die wir noch schließen müssen, um zu einer komplett nachhaltigen Produktion zu gelangen.
Besonders das Auffinden von Alternativen ist für Unternehmen der Oberflächentechnik schon seit Jahren ein sehr wichtiges Thema. Seit dem Inkrafttreten der europäischen REACH-Verordnung sehen sich vor allem Galvanikbetriebe vor große Herausforderungen gestellt. Um diesem Prozess systematisch entgegenzutreten entwickelte Dr. Martin Metzner vom Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA aus Stuttgart ein Verfahren, welches er in seinem Vortrag „Analyse der Alternativen – oder doch Alternativlosigkeit?“ vorstellte.
Den Abschluss der Veranstaltung macht Hanno Paschke vom Fraunhofer-Institut für Schicht- und Oberflächentechnik IST aus Braunschweig mit seinem Vortrag über „Simulation & Modellierung in der Plasmaoberflächentechnik“. Besonders bei komplexen Geometrien oder teuren Beschichtungsobjekten könne so der Entwicklungsaufwand mit Hilfe der Simulation des Teilchenflusses und der Schichtbildung am Substrat stark reduziert werden.
Kevin Oliveira von der WKW Group fragte im Nachgang, welche Anwendungsfälle allgemein mit der Software des Fraunhofer-Instituts simulierbar seien. Paschke erklärte, dass die Simulationen prinzipiell auch auf Galvanik Prozesse anwendbar seien. Erste Industrieprojekte wurden auch schon erfolgreich durchgeführt. So konnte die Beschichtung extrem teurer Linsen, deren hohe Produktionskosten keine umfangreichen physischen Tests erlauben, mit Hilfe der Simulationen getestet werden.
Wir möchten uns im Namen des Kompetenznetzwerks für Oberflächentechnik e.V. und des automotiveland.nrw e.V. bei allen Teilnehmer*innen und insbesondere bei allen Referent*innen für ihre spannenden und konstruktiven Beiträge bedanken und hoffen, uns bald persönlich wieder zu sehen.